Wie Werbeblocker geniale Projekte im Internet ausradieren

Kurz und knapp

In den letzten Tagen baten verschiedene deutsche Verlage darum, auf Werbeblocker zu verzichten, um die Schreiber zu entlohnen. Naiverweise wurde die Meldung nicht nur bei Werbeblocker-Nutzern angezeigt, sondern auch bei jenen an, die Werbung sahen. Eine Abwärtsspirale – mit dem Resultat, dass Nutzer überhaupt erst davon erfuhren. Die Werbeblocker konnten viel Gewinn verbuchen, die Schreiber hingegen viel Verlust. Doch was passiert mit Betreibern, die finanziell keine Alternativwege finden?

Die Wahrheit ist: Gerade durch diese Einstellung gehen viele kleine Projekte direkt zugrunde, weil sie sich kein Stück finanzieren. Wer klein anfängt, kann durch die Centbeiträge der Werbeeinahmen kein Stück für die Betreibungskosten und reingesteckte Arbeit aufkommen. Was passiert? Die Projekte schlafen ein, weil man keine Zeit mehr hat, dass man dafür, dass man anderen was zur Verfügung stellt, auch noch draufzahlt.
Es ist eine Sache der Wertschätzung der Arbeit eines Machers, die aufgeruften Seiten nicht mit Addons zu manipulieren und ihre einzige Einnahmequelle auszublenden.

Das Resultat

Kleine, intelligente Projekte gehen zugrunde, aber “Liebesaus zwischen Selena Gomez und Justin Bieber?!” erscheint an jeder Ecke, weil diese Leser seltener Blocker installiert haben und solche Titel mehr Klicks bringen. Werbeblockernutzer unterstützen gerade diese Entwicklung, dass Artikel reißerischer und oberflächlicher werden, weil man wesentlich mehr Klicks braucht, um die Schreiber zu entlohnen – was man mit neutraleren Beiträgen schwer hinkriegt.

Eine Zweitentwicklung ist, dass Sponsoren direkt in den Inhalt eingebaut werden – und nicht jeder erwähnt diese. Man entscheidet durch die Werbeblockernutzung mit, ob man es lieber bevorzugst, hintergründig Werbung ohne Abtrennung in Artikeln serviert zu bekommen oder ob man den Schreibern ermöglicht, die Betreibungskosten und Arbeit auf erkennbare abgegrenzte Art einzusehen und die Entwicklung, ein immer reißerisches Internet zu sehen, von der eigenen Seite zu stoppen.

Nischenprojekte ohne Artikelmanipulation gehen durch diese Entwicklung jedenfalls haufenweise zugrunde oder werden nicht fortgesetzt. Diese Entwicklung wäre nicht so stark, wenn sie sich finanzieren würden und weniger Klicks ausreichen würden, um die Arbeit der Schreiber und Macher zu entlohnen. Man braucht Geld zum Leben, und wenn die Internetaktivität dieses nicht einbringt, muss man mehr Zeit damit verbringen, anderen Jobs nachzugehen statt Zeit zu haben, diese Aktivität weiterzuführen.

Mangel an Wertschätzung?

Wenn man das, was man im Internet sieht, gut findet und in Zukunft weiterhin sehen will, sollte man zumindest für diese Seiten den Werbeblocker ausblenden, um die Arbeit zu würdigen – das kostet einen nichts, unterstützt aber die Macher dabei, mehr und größere Projekte auszubauen und ihre Arbeit fortzusetzen.

Es betrifft auch größere Verlage. „Werbeblocker“ bedeutet Einnahmeneinbußen und damit Lohnkürzungen der Arbeiter im Gesamtkomplex. Zudem verhindert es dadurch, dass mehr Personen eingestellt werden, um Rubriken mit mehr qualitativen Themen auszubauen oder auch Journalisten auf die Reise zu schicken, damit sie sich die Umstände wirklich vor Ort anschauen können und mit Betroffenen direkt reden.

Harsch gesagt, hat man eigentlich auf einer Seite nichts zu suchen, wenn man das Seitenlayout manipuliert. Wer nicht zahlt, soll Werbung sehen. Wen das nervt, soll den Inhalt nicht konsumieren. Aber dennoch die journalistischen Artikel oder Bilder von Kunstseiten zu konsumieren und dafür deren Einnahmen zu blocken, führt dazu, dass diese Macher kaum noch was zum Konsumieren erschaffen werden und sich von Firmen bezahlen lassen müssen oder oft Pleite gehen und auf andere Jobs ausweichen müssen.

Besonders arg sind die Aktionen von Leuten, die Werbeblockerunternehmen Meldungen zum Ausblenden zuschicken, in welchen – sofern ein User diese nutzt – steht, dass sich Betreiber mit Werbung finanzieren und es daher fair wäre, die Blocker auszuschalten. Das ist keine Werbung, sondern stammt vom Betreiber selbst. So etwas sollten die Werbeblocker nicht ausblenden.

Wenn Blockerprogramme das Wettbewerbsrecht eindämmen

Wenn das Blockerwesen je rechtlich dafür in Verantwortung gezogen wird, das Wettbewerbsrecht zu beschränken, wird das der Moment sein, wenn kleine Projekte wieder aufblühen werden und werbevollgehämmerte Seiten einfach nicht besucht werden, weil sie nerven. So wie es früher mal war. Die jetzige Einstellung zerstört jedenfalls eine komplette Industrie von kreativen Animateuren, Künstlern, Berichterstattern, Nischenvideos, die nicht auf Mainstream abzielen, etc. Die Macher müssen also notgedrungen jeden Mainstreamkack mitmachen, wenn sie sich darüber finanzieren wollen.

Es ist schwierig vorzustellen, welche Argumente seitens der Verneiner kämen. Personen haben gar kein Recht darauf, zu bestimmen, was sie auf den Seiten von fremden Anbietern sehen. Diese Seiten gehören ihnen nicht – sie sind nur Besucher. Wenn sie den Inhalt konsumieren wollen, müssen sie sich nach den Layoutbedingungen der Betreiber richten – andernfalls betrügen sie diese, um kostenlos zu konsumieren.
Was sind die Argumente? „Werbung nervt“? Wenn es sie nervt, dass Anbieter damit für ihre Betreibungskosten/Arbeitszeit aufkommen, haben sie keinen Anspruch darauf, den Inhalt dennoch zu konsumieren. Keiner hat das Anrecht auf irgendeinen Inhalt im Internet – denn diese Inhalte sind eben nicht direkt frei, sondern gehören den Machern, welche diese Inhalte genauso gut zurückziehen können. Es sind eher glückliche Umstände, dass viele unterbezahlt Dinge erschaffen und online stellen – nur schätzen das die wenigsten.

Wertschätzungsverlust einer Generation

Gerade bei jüngeren Generationen gibt’s oft die Mentalität, man hätte das Anrecht auf kostenlose Inhalte – wer sie erarbeitet hat, ist egal. Es besteht nicht einmal ein schlechtes Gefühl, dass man sich zum Konsumieren trügerisch reinmogelt und dafür das Layout der Seite manipuliert. Nein, es ist sogar Trend, die Arbeit anderer Leute als selbstverständlich zu nehmen und sie zu verachten, wenn diese versuchen, sich zu finanzieren. Auf der anderen Seite ist es für die gleichen Personen meist unvorstellbar, kostenlos Überstunden zu machen. Man streitet sich sogar darum, wer ein eingesendetes Bild ursprünglich geklaut hat und den Ruhm dafür kriegen sollte.

  
Es ist traurig, dass Betreiber, Künstler und andere darum bitten müssen, ihr Layout nicht zu ruinieren, wenn man ihren kostenlos reingestellten Inhalt ohne Rücksicht konsumieren will – stattdessen werden sie dafür noch angegriffen.

Es tut mir jedes mal weh, wenn ich enorm aufwendige Projekte kleiner Seiten finde und sehe, dass sie dafür kein Stück entlohnt werden, sondern auch noch draufzahlen. Und wenn sie versuchen, ihre Situation zu refinanzieren, werden sie verachtet, bis sie sich dann aus Geldmangel anderen Nebenjobs zuwenden, weil kaum wer ihre Arbeit so weit schätzt, ihre Seite beim Besuch nicht zu manipulieren.

In was für einer Welt leben wir? Will man wirklich Teil dieser Mentalität sein und Macher dermaßen demotivieren, ihre Arbeit fortzusetzen, damit sie sehen, dass es sich nicht lohnt, ihre Arbeit fortzuführen? Damit sie sehen, dass es sich mehr lohnt irgendwelche Promiberichte zu bringen und ihre Werke aufzugeben? Und das nur wegen diesem einem Seitenmanipulationsscript? Ist es das echt wert?