Entwarnung: Neuer Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) §


Kurz: Was ab Januar alternativ mit „ü16“ markiert werden kann, hätte nach dem _alten_ JMStV während der letzten 7 Jahren bereits gesperrt sein müssen. Die Novellierung vereinfacht die Lage. Was vorher keine Probleme bereitete, wird auch jetzt keine bereiten (es wird also i.d.R. keiner was ändern müssen!).

Nebenbei: Schon aufgefallen? Rechtsexperten [1], [2] entwarnen Blogger, Laien hetzen diese oft und vermischen zu Hauf 2003 mit 2011 (obwohl es die ü16Sperr-Pflicht seit 2003 und nicht erst seit 2011 gibt).
– Was spricht zudem gegen Altersmarkierungen vor Pornoseiten? Selbst youporn und pornhub haben welche, bei uns hätten solche Seiten zuvor gesperrt bleiben müssen. Problem ist das deutsche Abmahnwesen (sodass neuerdings unnötigerweise Personen Angst kriegen, die gewaltfilmlos normale Sätze schreiben), nicht der JMStV (der betrifft eher Porno-/Gewaltfilm-anbieter).

Am Vertragstextaufbau kann man rumkritisieren, belangt aber 99% nicht, an den Filtern hypothetisch auch, doch sind sie im Vertrag nicht festgemacht und in dem Sinne schwer zu kritisieren, da noch nicht vorhanden.


Was ist der JMStV, was die Novellierung?

Der alte JMStV
ist seit 2003 gültig. Gedacht ist der JMStV als Schutz für Kinder und Jugendliche, die im Internet nicht direkt auf Inhalte, die nicht ihrem Alter entsprechen, treffen sollen.
Allen voran steht, ob die Beiträge erst ab 16 oder ab 12 umgeben von Kinderinhalt sind, dann besteht Handlungspflicht (bei Ungewissheit kann man eine Prüfungsstelle [Jugendschutzbeauftragte, FSM] fragen). Ist ü16- bzw. ü12Inhalt auf Kinderseiten vorhanden, muss der Betreiber tagsüber eine Zeitsperre auf die Homepage setzen oder einen Alternachweis der Nutzer einholen (z.B. ePerso-Tools, Kreditkarte). Andernfalls droht Bußgeld und Abmahnungen. In der Praxis hörte man aber in diesen 7 Jahren selten von Abmahnungen – also bisher kein wirkliches oder strenges Problem für Privatseiten.

Der neue JMStV
gilt ab dem 1. Januar 20011 und ergänzt den alten Altersprüfweg von Zeitsperre oder komplizierten Altersnachweis nun mit einer weiteren Option: Ein einfacher Quellcode, der als Alternative bei gleicher Situation (ü16-Inhalt bzw. ü12Inhalt auf Kinderseiten) genutzt werden kann. Nun muss man keine Kreditkartennummer verlangen oder die Seite zeitlich absperren, sondern kann einfach den Quellcode eingeben und ist nun damit abgesichert, da Eltern bei solchen Seiten für ihre Kinder nun Filtersoftware verwenden können. Dieser Quellcode erleichtert es also Erwachsenen im Internet ü16-Inhalt zu sehen, da man nun nicht jedes mal sein Alter versifizieren muss. Weiß man nicht genau, ob man ü16Inhalt hat, kann man sich weiterhin an eine Prüfungsstelle wenden – wie zuvor eben auch. Wer den Inhalt falsch einschätzt und nicht auf einen der drei Wege sichert, kann wie früher abgemahnt werden. Der Vorteil der Neuerung ist, dass man nun drei statt zwei Wege (alter JMStV) für den Altersprüfweg hat. Die Angabe „ab 0; 6; 12 Jahren“ ist freiwillig.


Entwarnung zum neuen JMStV (Novellierung = positiv?!)

Ich habe den Beitrag überarbeitet, denn anders als heise.de (& z.B. t3n.de) rauslesen lässt und von nun „befürchteten Abmahnwellen“ spricht, schreibt der FSM im letzten Punkt, dass sich abmahntechnisch zu 2003 nichts im Vergleich zu früher ändert. Die Novellierung bringt also nur eine Absperralternative durch Altersangaben bei bereits vorhandenem zweifelhaften Material.

Damit ist die Abmahnangst ab dem 1. Januar gar nicht berechtigter als sie es schon die ganze Zeit war. Wahrscheinlich hielt sich das im Hintergrund, weil kaum wer darüber Bescheid wusste. Jetzt, durch die Medienaufmerksamkeit, wissen es aber viele und die Abmahnzahl könnte steigen.

Das heißt, dass wirklich nur eine Altersbeschränkungsalternative hinzukam und viele sich eigentlich über das alte Gesetz aufregen. Zahlreiche Seiten haben aber statt einer Trennung alles in einem Satz in Bezug auf Januar geschrieben, sodass die Novellierung wirkte, als ob sie bezogen auf Abmahnungen was Neues bringen würde. Tat sie nur nicht. Das Gesetz, so bezweifelbar es manche finden, läuft schon seit 7 Jahren in diesem Sinne.

Andererseits, wenn die Abmahnrate wirklich so extrem winzig ist, wie jetzt (man hörte ja bisher i.d.R. auch nie was), dann ist die Altersangabe eine enorm praktische Sache. Gewöhnlich kümmert es viele nicht, ob man rechtlich bezogen auf die Altersfreigabe seiner Homepage richtig liegt. Durch den Hype kontrollieren alle ihren Inhalt, obwohl es kaum Abmahnungen bisher gegeben hat. Das erleichtert einem nun, sich bei Problemen zu schützen, weil danach Abmahnanwälte nichts mehr tun könnten, während sie das vorher gekonnt hätten. Außerdem braucht man keinen klaren Altersnachweis, sondern kann einfach mal eine Gewalt- oder Pornoseite aufziehen und muss dann nur noch die Altersfreigabe in den Code einbauen (wer sich bisher unsicher war, konnte ja auch einen Jugendschutzbeauftragten anschreiben).
Eigentlich ist das extrem praktisch, weil dann automatisch jeder ohne Kinderfiltersoftware als mindestens 18-Jähriger diesbezüglich durchgeht und gemütlicher an deutsche Porno- und Gewaltfilme kommt, ohne nervige Altersbestätigung z.B. per Kreditkarte.
Mit der Argumentation, das Internet hätte keine Landesgrenzen, zerstören sich Ältere eigentlich selbst diese komfortable Sache, einfach mal alles Kritische bei beiläufiger Altersangabe online zu stellen. Wenn bei einer Nachbearbeitung des Gesetzes dieser Punkt nun wegfällt, verlieren Ältere eigentlich an Freiheit.

Ohne die Abmahnaffäre ist das eigentlich eine richtig gemütliche Sache.
Wenn aber bei Gesetzesverstößen immer Abmahnungen neben Bußgeld bestehen können, dann ist das neuartige Erwähnen davon mal richtig suspekt. Wenn sich das Abmahnverhältnis aber nicht ändert, dürfte es den meisten wirklich egal sein, weil dann wirklich nicht jeder Blog-Satz auseinandergerissen und kritisiert wird. Es besteht also wirklich kein Panikgrund. Das Gesetz ist also sogar für Ältere besser geworden.
Anscheinend hat die Sache einer falsch aufgegriffen und das alte Gesetz zur Novellierung erklärt und dann haben fast alle großen Seiten mitgezogen. Und nun folgen eben die User.

Das heißt, dass alle, die unabgeschottetes ü16-Material auf der Website hatten, eigentlich die ganze Zeit mahngefährdet waren und jetzt das Problem mit einem kleinen Code-Stück (statt aufwendigen Verfikiationsvorgängen) lösen können.

Grundsätzlich wird man also nichts ändern müssen, was man nicht vor 7 Jahren hätte schon ändern müssen (also ü16Inhalt, ü12Inhalt auf Kinderseiten). Zudem wird am Beispiel der Praxis (innerhalb dieser 7 Jahre gab’s kaum Abmahnungen!) nicht jeder Satz auseinander-genommen. Alles kann also bleiben wie es ist.

Das, was wirklich kritisch ist, ist das Abmahnwesen in Deutschland und das hat nicht wirklich was mit diesem Gesetz zu tun, sondern lässt sich auf fast jedes Gesetz anwenden. In Deutschland ist schon die erste Abmahnung kostenpflichtig, in Amerika z.B. nicht. Hier wäre eine Änderung angebracht.

Erläuterungen (gut für Seitenbetreiber): fsm.de | FAQ | LawBlog